Elbe 4.0 – Digitalisierung bietet Potenziale für die Elbschifffahrt

Der Transportsektor steht vor weitreichenden Veränderungen. Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht neuen, mitunter branchenfremden Wettbewerbern mit einem intelligenten, disruptiven Geschäftsmodell, den etablierten Akteuren Kunden und Marktanteile streitig zu machen. Die Wettbewerbslandschaft wird heterogener, Markteintrittsbarrieren sinken. Damit erhöht die Digitalisierung den Druck auf die etablierten Akteure auf den Transport- und Logistikmärkten, ihre Innovationskraft zu stärken und ihre Prozesse auf den „digitalen Prüfstand“ zu stellen. Dies gilt in besonderem Maße für die Binnenschifffahrt, die als insgesamt nur bedingt innovationsfreundlich gilt. Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit zeigt, dass es eine Reihe von Ideen und auch konkreten Ansatzpunkten gibt, um den Wasserstraßentransport „fit“ für die Anforderungen des digitalen Zeitalters zu machen. Um diese voranzubringen, bedarf es neben den entsprechenden Innovationstreibern vor allem auch eines festen Umsetzungswillens der Prozessbeteiligten, der sich in konkreten Vorhaben, Pilotprojekten oder digitalen Testfeldern niederschlägt. Eine wichtige Grundvoraussetzung bildet in diesem Zusammenhang das Vorhandensein einer anforderungsgerechten Testumgebung, um innovative Lösungen für eine Digitalisierung des Wasserstraßentransports unter realen Bedingungen zu erproben. Der Elbkorridor bietet dabei ideale Rahmenbedingungen.

Im Zuge einer Untersuchung zur Digitalisierung des Elbkorridors (Elbe 4.0) wurden von Prof. Dr. Jan Ninnemann und seinem Team von HTC Consulting & Innovation in einem umfangreichen Verfahren übergeordnete Digitalisierungstrends und deren Relevanz für die Elbschifffahrt analysiert, Best-Practice-Ansätze im Umfeld anderer Infrastrukturen und Verkehrsträger evaluiert und hierauf aufbauend konkrete Aktionsfelder definiert: 1. Plattformlösungen, 2. Smart Connected Products, 3. Autonomes Fahren. Für diese Aktionsfelder konnten verschiedene Maßnahmen identifiziert und auf Basis unterschiedlicher Kriterien weiterführend bewertet werden.

Einen Schwerpunkt bildet das Aktionsfeld 1 „Plattformlösungen“, da viele der hier verorteten Maßnahmen im Hinblick auf eine kurz- bis mittelfristige Optimierung der Verkehre prioritär zu bewerten sind. Von wichtiger Bedeutung ist in diesem Kontext u. a. auch die erwartete hohe Akzeptanz der Maßnahmen durch die potenziellen Nutzer. Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass digitale Lösungen vor allem dann Anwendung finden, wenn sich ein konkreter Nutzen z. B. in Form von Prozessvereinfachungen ableiten lässt. Ansonsten bedarf es entsprechender Auflagen oder Nutzungsverpflichtungen, um neue Technologien zum Einsatz zu bringen.

Grundvoraussetzung für einen Großteil der im Zuge dieser Studie hergeleiteten Maßnahmen bildet die notwendige technische Ausrüstung. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Infrastruktur als auch die Binnenschiffsflotte. Daher stellt der vom BMVI bis Ende 2018 avisierte Aufbau einer AIS-Infrastruktur an Elbe und ESK einen wichtigen Meilenstein für die Digitalisierung der Binnenschifffahrt im Elbkorridor dar. Darüber hinaus bildet die Verfügbarkeit eines leistungsfähigen mobilen Breitbandzugangs einen weiteren wichtigen Eckpfeiler im Kontext Elbe 4.0. Bezogen auf die fahrenden Einheiten erfordert die Digitalisierung vor allem eine verbesserte technische Ausstattung der Schiffe mit Laptop- oder Tablet-PCs, um E-Mails oder externe Daten „mobil“ zu empfangen und zu verarbeiten.

Im Zuge der Studie konnten unterschiedliche Maßnahmen hergeleitet und priorisiert werden. Als vergleichsweise zeitnah zu realisierende Maßnahme wird die Implementierung einer digitalen Schleusenrangsteuerung unter Einbeziehung der Abstiegsbauwerke Geesthacht, Lüneburg und Uelzen empfohlen. Durch eine enge Vernetzung mit dem Hamburg Vessel Coordination Center (HVCC) ergeben sich hierdurch auch positive Rückwirkungen auf die Planungs- bzw. Abfertigungsprozesse im Hamburger Hafen. Als weitere kurz- bis mittelfristige Maßnahme wird eine deutliche Vereinfachung der administrativen Abrechnungs- und Meldeverfahren durch eine Prozess-Digitalisierung empfohlen. Die bestehenden Verfahren gelten als extrem bürokratisch, langwierig und oftmals fehleranfällig. Eine weitere wichtige Maßnahme zur Stärkung der Binnenschifffahrt stellt auch die Verbesserung der Durchgängigkeit und Transparenz des Informationsflusses entlang der Transportkette dar. Der Informationsaustausch zwischen den unterschiedlichen Akteuren im System Wasserstraße erfolgt heute noch vielfach per Fax, E-Mail oder Telefon. Um die bestehenden Kommunikations- und Abstimmungsprozesse im Bereich der Binnenschifffahrt zu digitalisieren, bedarf es nach Einschätzung der Gutachter zunächst der grundsätzlichen Überzeugung der Prozessbeteiligten, dass Investitionen in eine moderne IT von existenzieller Bedeutung für die (intermodale) Wettbewerbsfähigkeit der Player selbst und damit auch des Systems Wasserstraße sind.

Weitere Informationen zum Projekt sowie die Studie im Volltext finden Sie hier: https://mlv.sachsen-anhalt.de/presse/pressemitteilungen/newsarchiv/elbe-40/

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2 Antworten zu Elbe 4.0 – Digitalisierung bietet Potenziale für die Elbschifffahrt

  1. Beate Meyer schreibt:

    Mich würde interessieren, wie weit die Digitalisierung der Elbschifffahrt mittlerweile angelaufen ist. Insbesondere die Plattformlösungen bieten eine große Chance. Auch die Blockchain für Logistik- und Transportwege ist ein spannender Aspekt. Leider hinken wir in Sachen IT in Deutschland immer etwas hinterher.

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